Transpersonale Psychologie

– Transpersonale Psychotherapie

»Personare« bedeutet im ursprünglichen lateinischen Wortsinn »hindurchtönen«, als »Persona« wurden die Masken der Schauspieler im klassischen griechischen Drama bezeichnet. So weist also schon das einfache Wort »Person«, auf den »doppelten Ursprung des Menschen« (Dürckheim), seine sowohl menschliche als auch über-menschliche (spirituelle) Natur hin. Insofern ist das Wort »transpersonal« von seiner Bedeutung her eigentlich doppelt: Das Persönliche überschreitend.

Gewählt wurde dieser Begriff in den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts von einer Gruppe von Wissenschaftlern (A. Maslow u.a.), um einen neuen Zweig der Psychologie, die »Transpersonale Psychologie« zu begründen. Als sogenannte »Vierte Kraft« in der Psychologie (neben Behaviorismus, Tiefenpsychologie und humanistischer Psychologie), war ihr Anliegen, Konzeptbildung und Forschung vor allem in den menschlichen Bereichen zu ermöglichen, die über das Sichtbare und Messbare hinausgehen.

Einen Überblick über die Bandbreite und Schwerpunkte der behandelten Themen gibt am besten die Zusammenfassung der Artikel, die in dem 1969 gegründeten »Journal of Transpersonal Psychology« veröffentlicht wurden. Für den deutschsprachigen Raum gibt es seit 1995 die »Zeitschrift für Transpersonale Psychologie und Psychotherapie«.

Transpersonale Psychotherapie

Der Begriff der Transpersonalen Psychotherapie ist in den 80er und 90er- Jahren entstanden, aus dem Bestreben heraus, die Erkenntnisse Transpersonaler Psychologie in die therapeutische Arbeit umzusetzen. In der Praxis stellen Transpersonale PsychotherapeutInnen immer eine Synthese her, aus dem Wissen und den Vorerfahrungen, die sie im Bereich moderner psychotherapeutischer Vorgehensweisen gewonnen haben und den Erfahrungen aus Theorie und Praxis ihres eigenen spirituellen Hintergrundes. So verschieden, wie diese Vorerfahrungen sein können, so unterschiedlich erscheinen die Handlungen unter Umständen in der ganz konkreten therapeutischen Praxis.

Das Gemeinsame all dieser Vorgehensweisen sind jedoch bestimmte Grundannahmen, die in der Haltung des/der Therapeutin zum Ausdruck kommen: Z.B. die Erkenntnis, dass das Wesen eines Menschen weit über sein individuelles Ich hinausreicht, oder die Anerkennung von Bewusstseinsphänomenen als wertvoll und heilsam, die in herkömmlichen (medizinischen) Richtungen als krank (pathologisch) bezeichnet werden.

Eine sinnvolle Betrachtungsweise der verschiedenen Vorgehensweisen ergibt sich unter folgenden Gesichtspunkten:

Drei wichtige Elemente Transpersonaler Therapien:

SEIN

Haltung:
Eigener spiritueller Hintergrund (Praxis) des/der TherapeutIn
Grundhaltungen (Präsenz, Zentrierung, Achtsamkeitspraxis)
Grundvariablen der Beziehungsgestaltung

ERKENNEN

Diagnostisches Vorgehen:
      Aus welcher Motivation heraus trifft der/dieTherapeutIn Entscheidungen,
welche Modelle und Vorgehensweisen werden
zur Unterscheidung von Phänomenen
herangezogen?

HANDELN

Methoden:
  Welche therapeutischen
Methoden werden wie eingesetzt:
* Herkömmliche Methoden
* Transpersonale Methoden
* Methoden aus
übend/spirituellen Zusammenhängen

Grundhaltungen des/der Transpersonalen TherapeutIn

Transpersonale TherapeutInnen verstehen sich von ihrer Grundhaltung her als »Begleiter«, »Hebammen« oder auch »KatalysatorInnen« für die ureigensten Prozesse ihrer KlientInnen. Sie vertrauen darauf, dass die eigenen Wesenskräfte, über die jede Person verfügt, Entwicklungen und Heilung hervorbringen können. Ihre therapeutische Aufgabe sehen sie darin, günstige Bedingungen zur Verfügung zu stellen, in denen sich solche Prozesse vollziehen können.

Als unabdingbare Voraussetzung dafür, wird eine eigene spirituelle Ausrichtung und Praxis des/der TherapeutIn angesehen. Wichtige Grundvariablen einer solchen therapeutischen Haltung werden häufig so beschrieben: Präsenz, Zentrierung, (nicht-wertende) Achtsamkeit, Absichtslosigkeit, mitfühlendes Verstehen.

Diagnostisches Vorgehen in der Transpersonalen Therapie

Diagnostik wird  in der Transpersonalen Psychotherapie nicht im herkömmlichen Sinne als Identifizierung von pathologischen Phänomenen und Analysieren von Störungsmustern verstanden. Sie dient vielmehr der Unterscheidung und Beurteilung von Phänomenen einerseits und der selbstkritischen Überprüfung der Motivationen des eigenen therapeutischen Handelns andererseits. Wichtige Unterscheidungen, die häufiger erwähnt werden, sind u.a. die Unterscheidung präpersonaler und transpersonaler Erfahrungen (z.B. Ken Wilber: »Prä/Trans-Verwechslung«, S. Grof: Prä-, perinatale und transpersonale Phänomene), die Unterscheidungen zwischen alten Überlebensmustern und neuen Entwicklungen, aber auch Differenzierungen, die mehr auf intuitiver Basis getroffen werden, zwischen »hellen« und »dunklen«Phänomenen (z.B. Graf Dürckheim) oder die »Unterscheidung der Geister« (z.B. Ignatius v. Loyola).

Unbewusste Motivationen des eigenen Handelns, wie z.B. Angst oder Gier spielen in allen spirituellen Traditionen eine wichtige Rolle, sie werden als Widersacher der eigenen spirituellen Entwicklung angesehen und häufig als Kräfte des Ego bezeichnet (z.B.  Jack Kornfield).  In der therapeutischen Praxis stehen die unbewussten Ego-Motive, »der Schatten« des/der Therapeutin, in Konflikt mit dem Anliegen, in der Therapie einen freien Raum für persönliches und spirituelles Wachstum unserer KlientInnen zu schaffen. Eine Praxis der regelmässigen selbstkritischen Überprüfung und Bewusstmachung der eigenen Ego-Motivationen und -Handlungen (Selbstdiagnostik des/der TherapeutIn) scheint mir daher in einer transpersonal ausgerichteten therapeutischen Arbeit unerlässlich.

Methodisches Vorgehen in der Transpersonalen Therapie

Das reine Anwenden sog. »spirituell öffnender Methoden«, macht eine herkömmliche Therapieform noch nicht zu einer Transpersonalen Therapie. So ist z.B. denkbar, dass ein verhaltenstherapeutisch ausgebildeter Kollege, eine Meditationsübung in seine Therapiestunde einbaut, weil er das zur Erreichung seiner Therapieziele als sinnvoll erachtet. Umgekehrt können und sollen alle herkömmlichen psychotherapeutischen Methoden in einer Transpersonalen Therapie Anwendung finden, sofern sie mit den Grundannahmen und Grundhaltungen (s.o.) vereinbar sind und dem Therapieprozess dienen.

Entscheidend ist hier also das Wie der Anwendung von Methoden (aus welcher Motivation heraus/mit welcher Grundhaltung), nicht unbedingt das Was, wobei die Einbeziehung übender Elemente in die Therapie, in Anlehnung an traditionelle spirituelle Praktiken, naheliegend ist. Die Übergänge zu anderen Psychotherapieformen, besonders aus dem humanistisch- psychotherapeutischen Bereich, sind fließend.

Literatur:

  • Gallen, M.A.: Überlegungen zum Paradigmenwechsel in der Transpersonalen Psychotherapie. In: Transpersonale Psychologie und Psychotherapie, 2/2006, 54 – 63. → PDF-DOWNLOAD